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Mit 98 727 von Würzburg nach Lauda
11. März 1973
 

Zu Beginn der 1970er Jahre zog eine kleine Dampflok vermehrt die Aufmerksamkeit der bundesdeutschen Eisenbahnfreunde auf sich, die mit der Deutschen Bundesbahn rein gar nichts zu tun hatte, und die sogleich einen einmaligen Spitznamen bekam: "Zucker-Susi". Der Spitzname begründete sich einfach: es handelte sich um die Lok 4 der Zuckerfabrik Regensburg. Nun waren und sind Dampfloks privater Betreiber immer schon interessant, aber die Lok, die tatsächlich einmal im Nummernschema der vormaligen Deutschen Reichsbahn als 98 727 eingereiht war, war aus mehreren Gründen etwas besonderes.

Als Baureihe 987 wurde bei der DR die vormalige bayerische BB II geführt, eine nach Bauart Mallet ausgeführte Nassdampf-Verbundlokomotive mit der Achsfolge B'B n4v, die zwischen 1899 und 1903 in 29 Exemplaren an die bayerische Staatsbahn ausgeliefert wurde. Bereits 1940 war der Bestand auf nur noch 3 Lokomotiven dezimiert, die in den Folgejahren an private Firmen verkauft wurden. 1943 wurde 98 727 an die Südzucker AG, Werk Regensburg verkauft und überlebte als einzige die Jahrzehnte. 1958 erhielt sie sogar einen nach alten Zeichnungen erstellten neuen Kessel. Zu Beginn der 1970er Jahre wollte man sich aber auch hier von den noch verbliebenen Dampfloks trennen. 1972 übernahm eine Diesellok die Aufgaben der "Zucker-Susi".

Die Bauart Mallet war in Deutschland - und auch in den meisten anderen Ländern Europas - kaum verbreitet. Bei dieser Bauart war das vordere Triebwerk gelenkig unter dem Rahmen angeordnet, die Dampfzufuhr zu den Zylindern erforderte bewegliche Dampfleitungen. Eine "Mallet" ist zudem immer eine Vierzylinder-Verbundlokomotive, was bedeutet, dass der Dampf, nachdem er in den - hinteren - (Hochdruck-)Zylindern Arbeit geleistet hat, nochmals zu den - vorderen - (Niederdruck-)Zylindern geleitet wird, um dort mit dem Restdruck die zweite Triebwerksgruppe anzutreiben. Das bewegliche vordere Triebgestell der "Mallets" ermöglichte es, auch für Strecken mit engen Radien und schlechtem Oberbau größere Loks zu konstruieren.

Mallet-Lokomotiven wurden in Deutschland nur um die Jahrhundertwende in nennenswerten Stückzahlen gebaut, meist für Klein- und Schmalspurstrecken, um die gestiegenen Zugförderungsaufgaben zu bewältigen. Mit der Einführung des Heißdampfes wendete man sich wieder von dieser recht aufwändigen Bauart ab, da sich die benötigten Leistungen mit Zweizylinderloks wirtschaftlicher bewältigen ließen. Bis heute erhalten sind einzelne Schmalspur-Mallet-Loks aus der Länderbahnzeit.

Erwähnen möchte ich die DR-Baureihe 99590, die für die Nordhausen-Wernigeroder Eisenbahngesellschaft ab 1897 gebaut wurden und von denen vier heute noch bei den Harzer Schmalspurbahnen vorhanden sind, z.T. sogar einsatzfähig. Und die DR-Baureihe 9963, erstmals 1899 in Dienst gestellt als württembergische Reihe Tssd, war eine Mallet. Von dieser Baureihe wurden 99 633 und 99 637 als letzte ihrer Art erhalten.

Die 98 727 ist jedoch die einzige vollständig erhaltene deutsche Regelspur-Mallet, die auch wieder betriebsfähig aufgearbeitet wird. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang bayerische BB I Nr. 2100, eine Mallet-Schlepptenderlok mit Baujahr 1896, die sich im Eisenbahnmuseum Neustadt an der Weinstraße befindet, jedoch ohne Tender und als Anschauungsobjekt teilweise aufgeschnitten.

Anfang der 1970er Jahre bemühte sich die Südzucker AG darum, ihre Lok Nr. 4 museal zu erhalten. Letztlich erhielt der Verein "Museumsbahn e.V.", heute Trägerverein des Eisenbahnmuseums Darmstadt-Kranichstein e. V., den Zuschlag für die Lok. Unter der Regie dieses Vereins absolvierte 98 727 in den folgenden 5 Jahren verschiedene Sonderfahrten, bevor sie zunächst als Exponat in das Eisenbahnmuseum einzog. Seit 2012 arbeitet man dort an der betriebsfähigen Aufarbeitung.

Eine der ersten - oder evtl. auch die erste - Sonderfahrt wurde am 11. März 1973 durchgeführt, dabei wurde von Würzburg aus die inzwischen längst nicht mehr existierende "Gaubahn" von Ochsenfurt/Main über Bieberehren und Röttingen/Ufr. nach Weikersheim befahren. Ziel der Fahrt war Lauda, von dort kehrten die Fahrtteilnehmer mit einem der planmäßigen Nahverkehrszüge nach Würzburg zurück. Der Einsatz der bayerischen BB II bzw. Baureihe 987 auch auf dieser Strecke kann als sicher angenommen werden, eine Bildveröffentlichung eines Fotos von 1910 aus Aub-Baldersheim belegt dies.

Weil nach über 4 Jahrzehnten auch die Gaubahn stillgelegt und abgebaut wurde, habe ich mich entschieden, die Aufnahmen dieser Fahrt in einer Galerie zu zeigen. Unterstützt wurde ich dabei von Wolfgang Rüdiger Hesse, der die Fahrt ebenfalls fotografisch begleitete und seine Aufnahmen für diese Galerie zur Verfügung stellte.

Den Streckenverlauf der ehemaligen Gaubahn dokumentieren wir zusätzlich auf der unten verlinkten Sonderseite.

Link: Der Verlauf der ehemaligen Gaubahn



Galerieübersicht

11. März 1973


  Ochsenfurt


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Die erste Etappe der Fahrt musste ab Würzburg auf der Hauptstrecke nach Ansbach zurückgelegt werden, noch dazu in Rückwärtsfahrt, denn in Ochsenfurt, dem Beginn der Gaubahn, wechselte der Zug die Fahrtrichtung. Diese Aufnahme entstand bei Goßmannsdorf an der Bahnschranke der Bundesstraße.






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Bei der Einfahrt in Ochsenfurt kam es zur Begegenung mit 260 178-9.






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Nach dem Halt strömten die Fahrgäste aus dem Zug, um die nachfolgenden Rangierbewegungen zu fotografieren. Auch wenn es nicht den Eindruck machte - es ging diszipliniert zu.






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Beim Absetzen vom Zug wurde das kleine Schild sichtbar, das die Lok unterhalb der Rauchkammertür trägt. "Gestiftet von der Süddeutschen Zucker A.G. Werk Regensburg im Jahre 1972" konnte man dort lesen.






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Beim Umfahren des Sonderzuges in Ochsenfurt entstand dieser Mitzieher.






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Bei Tückelhausen überquerte die Gaubahn den Thierbach und die Staatsstraße 2270. 98 727 nahm die Steigung sprichwörtlich "mit Volldampf". Die St2270 wurde inzwischen um eine volle Straßenbreite nach links versetzt um die Kurve zu entschärfen. Ca. 100 Meter des Bahndamms wurden hierzu im Anschluss an die alte Brücke entfernt, und eine neue Fußgänger- und Radfahrbrücke wurde darüber gelegt. Auf diesem kurzen Abschnitt ist der heutige Radwanderweg nicht mehr identisch mit der ehemaligen Gaubahntrasse.






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Man konnte immer wieder erstaunt sein, welche enormen Dampfwolken die kleine Lok von sich gab. Bei einer Nassdampflok kondensiert der Dampf schneller und vollständiger, was mitunter beeindruckende Dampfwolken entstehen lässt.






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Nur etwa 240 Streckenmeter weiter entstand auch diese stimmungsvolle Aufnahme an der Thierbachbrücke kurz vor der Einfahrt in den Haltepunkt Tückelhausen, die leider nicht ganz den Grundregeln der Eisenbahnfotografie entspricht.






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Zwischen Acholshausen und Gaukönigshofen beschrieb die Strecke in einer leichten Steigung eine große S-Kurve, in der ein Fotohalt stattfand.






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Während sich die fotografierenden Fahrgäste im Gelände verteilten, wurde erst einmal Dampf gekocht.






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Nachdem das Feuer durchgebrannt war, wurde ein Stück zurückgedrückt.






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Und mit Ihren typischen kräftigen, hellen Auspuffschlägen zog "Zuckersusi" zur Freude der Anwesenden die Steigung hoch. Die kleine Dampfleitung neben dem Schornstein dient als Abdampfleitung für die Lichtmaschine, die natürlich irgendwann nachträglich angebaut wurde, als die Petroleumbeleuchtung auch auf bayerischen Nebenbahnen abgeschafft wurde.






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Auch dieses Bild entstand anlässlich des Fotohalts. Nach dem Schließen des Reglers blasen die Sicherheitsventile der Lok ab. Links im Vordergrund der Spannhebel der Drähte für die Bedienung des Einfahrvorsignals von Gaukönigshofen.






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Von der Zuckerrüben-Verladerampe des Bahnhofs Rittershausen entstand diese Aufnahme.






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Auch vor Sonderhofen ging die Strecke noch bergauf, aber 98 727 bewältigte mit ihren knapp 400 PS auch diese Steigung.






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Wohl kaum eine halbe Minute später erreichte der Zug in einem kurzen Geländeeinschnitt in einer Linkskurve den Fotostandpunkt von W. Hesse, auf den letzten Metern vor dem nächsten Halt im Bahnhof Sonderhofen.






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In Sonderhofen wurde eine einstündige Pause eingelegt. Am Bahnhof begrüßte nicht nur die örtliche Blaskapelle die Fahrgäste, auch sonst war der größere Teil der Einwohner am Bahnhof erschienen, um die Dampflok zu sehen. Das Lokpersonal ölte zuerst das Triebwerk ab.






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Glück hatte W. Hesse, dass bei seiner Standardaufnahme einmal beide Treibstangen der rechten Lokseite fast perfekt in der unteren Stellung standen. Gut zu sehen ist auch das freistehende, gelenkige vordere Rahmenteil und die unterschiedlichen Zylinderdurchmesser - die vorderen Niederdruck-Zylinder sind entsprechend der Bauart größer ausgeführt, um bei geringerem Dampfdruck die gleiche Leistung zu erbringen.






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Der Kohlenvorrat von 1,5 t reichte nicht für die ganze Fahrt, und so wurden hier in Sonderhofen die Vorräte ergänzt. Man hatte vier Kohlensäcke im ersten Wagen mitgeführt, die nun in den Kohlenkasten entleert wurden.






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Die Ergänzung der Wasservorräte übernahm die freiwillige Feuerwehr Ochsenfurt mit einem 400 Liter-Tankwagen.






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Unter reger Anteilnahme von Eisenbahnfreunden und Einwohnern verließ
98 727 den kleinen Bahnhof Sonderhofen. Links das Gleis der Zuckerrübenverladerampe.






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Heiß umkämpft waren die 'Logenplätze' im Gepäckabteil des ersten Wagens. Auch zu sehen: Die mitgeführte Kohle konnte den Kohlenkasten nicht vollständig füllen.






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Unweit der Bahntrasse bei Sonderhofen stieß W. Hesse bei der Suche nach einer Fotostelle auf dieses "Stillleben", das eher an das 19. als an das 20. Jahrhundert erinnert: Ein mit Kleebockstangen beladener Leiterwagen stand vor einem barocken Bildstock, ca. 17-18. Jahrhundert. Im Hintergrund - der Blick geht über den nahen Bahneinschnitt hinweg - die Pfarrkirche St. Johannes von Sonderhofen.






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Direkt hinter Sonderhofen in Fahrtrichtung Gelchsheim lag eine erneute Steigung, an deren Beginn diese Aufnahme entstand.






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Vor dem Bahnübergang Straße Sonderhofen - Gelchsheim wurde der Sonderzug erneut auf Film gebannt.






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Als 98 727 gleich nach dem Bahnübergang d. Straße Baldersheim - Aub die Stelzenbachbrücke überquerte, waren die Fotografen wieder zu Stelle. W. Hesse fotografierte von der einen Seite...






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...während ich auf der anderen Seite der Strecke stand, wobei W. Hesse und drei weitere Eisenbahnfreunde unter dem Brückenbogen ins Bild kamen.






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Kurz vor Bieberehren war 98 727 ebenfalls flott unterwegs, ein paar Fahrgäste genießen die Fahrt im Fahrtwind an der offenen Gepäckraumtüre.






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Wo damals die 98 auf der Schiene durch Röttingen fuhr, befindet sich heute die Umgehungsstraße.






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Kurz vor Schäftersheim ergab sich dieser Blick über das Taubertal.






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Idyllisch war die Überfahrt über die Tauberbrücke von Schäftersheim.






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In Weikersheim angekommen, war die Lok sofort wieder von Eisenbahnfreunden umringt, auch der Cassettenrecorder wurde für Tonaufnahmen bemüht. Nicht ganz ohne Grund: Auch im Stand entwich bei der 'Zuckersusi'- anders als bei anderen Dampfloks - der Abdampf der Luftpumpe laut knallend durch den Schornstein, was insbesondere die anwesenden Kinder faszinierte.






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Erneut musste mit dem Feuerwehrschlauch Wasser gefasst werden, auch diese Szene wurde vielfach fotografiert.






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In Weikersheim musste die Fahrtrichtung erneut gewechselt werden. Dabei wurden die Wagen in zwei Schritten umgesetzt, um den rot-weißen Zweiachser am Zugschluss zu behalten. Hier wurden zunächst die DB-Wagen vorgezogen und auf das Streckengleis nach Lauda-Crailsheim umgesetzt.






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Anschließend musste 98 727 den letzten Wagen holen, um sich zuletzt rückwärts an das andere Zugende zu setzen. So fuhr man das letzte Stück bis Lauda.






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Der Sonderzug auf dem Viadukt über die Tauber zwischen Weikersheim und Elpersheim.






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Nach der Ankunft in Lauda spannte 98 727 vom Sonderzug ab.






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Ein letztes Sonnenbild während dem Umsetzen in das Bw Lauda. Viele Fahrtteilnehmer nutzten für die Rückfahrt zum Ausgangsort später stilecht den von einer Crailsheimer 023 bespannten Nahverkehrszug Lauda-Würzburg.







Quellen:
- Horst J. Obermayer: Taschenbuch Deutsche Dampflokomotiven
- Horst J. Obermayer: Taschenbuch Deutsche Schmalspur-Dampflokomotiven
- http://www.bahnwelt.de/
- Kursbuch Wi 72/73 der DB.
- http://www.malletlok.de/ge/ge_d/bayBBII.htm






© Rolf Schulze und Wolfgang Rüdiger Hesse
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